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Goldener Schnitt im Aquascaping

Goldener Schnitt, Drittelregel, phi (ɸ) oder aus dem englischen „the rule for thirds“. Viele Begriffe, alle meinen irgendwie das gleiche und das kann ganz schön verwirrend sein. Bringen wir Licht ins Dunkle.

Meine persönliche Geschichte mit dem goldenen Schnitt

8. Klasse, Kunstunterricht. Alles was ich zu der Zeit zustande brachte war ziemlich grafisch. Ich hatte wenig Lust daran Farben wild durcheinander zu mischen und einfach etwas entstehen zu lassen. Da ich ein recht erfolgreiches eSports Team anführte, machte ich mir Gedanken um Logogestaltung und den Aufbau einer Website. Sowas musste man damals haben, um zu den coolen zu gehören.

Zur Einführung der Stunde bat mein Lehrer mich: „Fabian, könntest du dich bitte vor die Tafel stellen und zur Klasse schauen?“

Ich stellte mich also etwas irritiert vor die Klasse und bekam dann ein Bild in die Hand gedrückt, dass ich die Stunde zuvor gezeichnet hatte.

„Kannst du erklären wieso Du dich entschieden hast das Bild so zu malen?“ ich drehte das Bild zu mir und dachte kurz nach. Was wollte er denn jetzt hören? Hatte ich versehentlich irgendwelche verbotenen Symbole eingearbeitet, ohne es selbst zu merken? Mir fiel nichts Besonderes auf und so sagte ich einfach „Mir hat es einfach gefallen, ich fand es stimmig“.

Er tausche das Bild mit einem aus, dass ich in der vorletzten Stunde gemalt hatte und stellte die gleiche Frage. Ich hatte jedoch keine bessere Antwort. Dann nahm er ein Stück Kreide, schob mich ein Stück nach vorne und malte einen Strich von oben nach unten genau an die Stelle, vor der ich gestanden hatte. Ich durfte mich setzen und lernte in der Stunde, dass ich nicht nur meine Bilder im goldenen Schnitt malte und zeichnete, sondern mich sogar fast auf den Zentimeter genau im goldenen Schnitt vor der Tafel aufgestellt hatte. Warum diese Geschichte wichtig ist, erfahrt Ihr am Ende des Artikels.

Was ist der goldene Schnitt?

Mit meinen eigenen Worten würde ich sagen: der goldene Schnitt ist eine harmonische Unterteilung von Strecken oder Flächen, die für den Menschen besonders harmonisch wirken. Erstaunlicherweise findet sich der goldene Schnitt in der Natur unglaublich oft wieder. Symmetrien hingegen finden sich nur selten und werden daher von Menschen auch als unnatürlich und unharmonisch empfunden. Eine der bekanntesten Zeichnungen zum goldenen Schnitt ist Leonardo Da Vincis Proportionsstudie des „Vitruvianischen Menschen“, in der man den goldenen Schnitt sehr häufig erkennen kann.

Bild: Der vitruvianische Mensch (Leonardo da Vinci) –Paris Orlando, 2019 - CC BY-SA 4.0

Von unseren kleinsten Körperteilen, den Fingern, unterteilt im goldenen Schnitt durch die Gelenke, bis zum ganzen Körper, geteilt in den goldenen Schnitt durch den Bauchnabel. Der goldene Schnitt ist überall. Abweichungen davon sind natürlich keinesfalls automatisch unästhetisch.

Die „rule of thirds“ oder „Drittelregel“

Es gibt eine sehr genaue Berechnung für den goldenen Schnitt. Da es aber genug Artikel darüber z.B. bei Wikipedia gibt, möchte ich das nicht zu weit vertiefen. Der englische Begriff „rule of thirds“, also „Drittelregel“ umfasst es aus meiner Sicht für das Aquascaping wunderbar. Der Goldene Schnitt befindet sich also vereinfacht auf einer Strecke an dem Punkt, an dem der größere Teil der Strecke a doppelt so groß ist (2/3) wie der kleinere Teil b (1/3).

Der Vollständigkeit halber hier die genauen Angaben: Strecke a = 61,8 %, Strecke b = 38,2 %

Was heißt das jetzt und was kann man daraus ableiten? Betrachten wir beispielsweise ein 60 (L) x 30 (B) x 36 (H) cm Aquarium von vorn, so teilen wir es mit 4 Strichen in 9 gleichgroße Rechtecke ein.

Fokuspunkte werden in der Aquascaping-Szene oft auch mit dem englischen Begriff „focal point“ bezeichnet. Damit gemeint sind gestalterische Elemente, die besondere Aufmerksamkeit erzeugen sollen, wie zum Beispiel der Mainstone oder das Ende eines Weges. Auch eine rote oder besonders ungewöhnliche oder seltene Aquarium Pflanze ist eine gut Wahl für einen Fokuspunkt in deinem Aquarium.

Die Goldene Spirale

Eine goldene Spirale findet man sehr häufig in der Natur wie beispielsweise bei Schneckenhäusern. Auch in der Fotografie und der Kunst wird sie häufig wie auch der goldene Schnitt zur harmonischen Komposition von Bildern genutzt. Dabei konstruiert man einen Viertelkreis und errechnet mit Hilfe des Radius als Gesamtstrecke (a + b) den Radius des nächsten Halbkreises (a), der um 90° gedreht an den ersten Viertelkreis gesetzt wird. So verfährt man, bis sich die Spirale nach innen immer weiter verjüngt.

Man kann die Spirale natürlich auch vertikal und/oder horizontal spiegeln und seinen Fokuspunkt dann entsprechend ausrichten.

In dem folgenden Scape ist der höchste Punkt des Aquascapes exakt im Zentrum der goldenen Spirale gesetzt worden. 

Fabian Beck – EAPLC 2018 - Platz 45

Und was hatte es jetzt mit der Geschichte auf sich?

Vielleicht durch Begabung oder auch durch Beeinflussung machte ich schon früher bei der Gestaltung intuitiv vieles richtig und wendete den goldenen Schnitt an, bevor ich zuvor bewusst etwas davon erfahren hatte. Bis heute gibt mir das beim Ausrichten von Steinen und Wurzeln im Aquarium eine Sicherheit, die mir bei der Gestaltung enorm weiterhilft.

In der Praxis

Genau das was ich im Kunstunterricht erfahren hatte, möchte ich dir gerne weitergeben.  Geh mit Intuition an die Sache ran und messe nicht nach. Das kannst du vielleicht für die ersten ein oder zwei Aquascapes machen, um dich anzunähern. Gib aber nie eine perfekte Gesamtkomposition auf, nur weil ein Stein nicht 100% auf der, mit dem Lineal ausgemessenen Linie steht.

Ein Gefühl für harmonische Gestaltung zu entwickeln bringt dich langfristig viel weiter, als ein Leben lang die Punkte auszumessen.  

Dieser Artikel soll dein Bewusstsein auf grundlegende Elemente der Harmonie schärfen. Achte bei der Gestaltung darauf und du kommst harmonischen, natürlich gestalteten Aquarien Schritt für Schritt näher.